Respekt, Frau Enke, Respekt

Als ich heute Morgen ins Büro kam, war mir die Tragweite der Ereignisse bereits bewusst. Bereits nach dem Freitod von Adolf Merckle lag diese Mischung aus Trauer und Neugier in der Luft, die Journalisten nun einmal Eigen ist. Was genau ist an den Bahngleisen passiert und was genau hat unseren Nationalkeeper zu diesem Schritt bewogen. Was sagen die Mannschaftskollegen, was sagt der DFB und – vor allem – was sagt seine Frau. Und dann kamen Sie, Frau Enke, und haben sich souverän der Meute gestellt und der Welt einfach erzählt, was alle wissen wollten.

Sich dem Blitzlichtgewitter auszusetzen ist auch ohne einen so tragischen Verlust eine Leistung, die honoriert werden muss. Angesichts der Umstände verdient sie den höchsten Respekt. Und nicht nur deswegen, sondern auch weil Sie Ihrem Mann damit eine letzte große Ehre erweisen. Sie machen seine Krankheit öffentlich und sorgen so nicht nur für eine längst überfällige Diskussion um das Thema Depression, sondern nehmen den weniger feinfühligen Kollegen auch den Wind aus den Segeln. Den Kollegen, die bereits kurz nach der ersten Meldung im Dreck wühlen.

Was war da los mit dem Enke? War die Ehe zerrüttet? Gab es vielleicht eine Geliebte? Manchem Schreiberling ist sich ja für nichts zu schade und ich warte eigentlich fast schon stündlich auf die ersten Bilder vom Friedhof, den ihr Mann so gerne besucht hat. Zumindest wenn man den Berichten Glauben schenken darf. Spekuliert wird also immer noch, aber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit viel weniger stark, als wenn sie geschwiegen hätten. Nun ist alles gesagt, die Geschichte ist erzählt. Und wenn wir alle viel Glück haben, bleibt es auch dabei. Abschließend kann man sich nur wünschen, es gäbe mehr Frauen von Ihrem Charakter, mehr Frauen von Ihrem Format.