Nicht-Meldungen

„Content is king“ war lange Zeit das Motto deutscher Online-Redaktionen. Mit der Einführung der Echtzeitmessung im Online-Bereich hat sich das jedoch grundlegend geändert. Entscheidend ist die Einschaltquote und die ist – wie im Fernsehen – nun einmal entscheidend höher wenn die Dramaturgie stimmt. Konkret auf die Nachrichten übertragen bedeutet das: Die Hauptversammlung der Deutschen Bank oder die Tarifverhandlung der Metaller interessiert niemand mehr, während die teuersten Mieten, die höchste Verschuldung und die dicksten Kartoffeln zu wahren Besucheranstürmen führen.

Diese gefühlte Veränderung im Bereich der Nachrichten wurde jüngst auch in einer Studie thematisiert. Quote schlägt seriöse Information, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie der Studie Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichten-Sites im Internet (PDF, 2,2MB) der Friedrich Ebert Stiftung (FES). Deren Ergebnisse kann ich aus meiner rein subjektiven Erfahrung als Texter nur bestätigen. Meldungen und Presseinformationen werden „flacher“ und reißerischer. Selbst dann, wenn es eigentlich keinen echten Aufmacher gibt. Die BILD arbeitet bereits seit Jahren nach diesem Schema und obwohl sich Gutmenschen und -schreiber aus Redaktionen sonst so gerne und lautstark von dieser Praxis distanzieren, arbeiten sie doch immer mehr nach demselben Schema. Beispiele dafür gibt es viele.

„Commerzbank lieferte offenbar jahrelang per Flugzeug Dollar-Banknoten an Libyen“, heißt es in der Pressemitteilung des Sterns im Presseportal und im ersten Augenblick denkt man an den Anfang einer ganz großen Affäre. Dollarnoten, Lybien, Terrorismus, illegale Geldgeschäfte. Die Geschichte wird jedoch gleich im ersten Absatz von der Commerzabnk relativiert und auch das Finanzministerium zeigt sich wenig beunruhigt. Beim deutschen Zoll wurde auch alles ordnungsgemäß angemeldet also so what? Geld transportiert wird viel und auch der Empfang des Geldes von „uniformierten Männern mit Maschinenpistolen“ ist bei Beträgen über 100 Millionen Dollar wohl nichts außergewöhnliches. Persönlich würde ich wahrscheinlich noch ein gepanzertes Fahrzeug mit einem großkalibrigen Maschinengewehr daneben stellen. Gemeldet wird die Geschichte trotzdem, auch wenn die Hintergründe noch nicht volständige geklärt sind. Aber so ist das eben heutzutage und vielleicht wird eines der Flugzeuge in naher Zukunft ausgeraubt. Immerhin weiß jetzt Gott und die Welt, dass die Commerzbank in regelmäßigen Abständen Dollar zum Flughafen karrt 😉