Junk-Food-Journalismus

Eigentlich kommt dieser Text viel zu spät. Das hat viele Gründe, wovon „zu viel Arbeit“ sicherlich der entscheidende ist. Doch Arbeit ist eine schlechte Ausrede um die Dinge vor sich herzuschieben die wichtig sind. Und wichtig ist dieser Text. Selbst wenn ihn keiner liest. Ausgelöst wurde alles durch einen Beitrag von Report Mainz, der sich mit einer Kampagne von Familienministerin von der Leyen beschäftigt. Wie es scheint, hat die beim Elterngeld nichts dem Zufall überlassen und auf Staatskosten Plakate gedruckt, Rundfunkbeiträge sprechen und Presseartikel schreiben lassen.

Produziert wurde alles von einer PR-Agentur auf Basis eines journalistischen Grundgerüsts, allerdings viel weniger kritisch als es ein Redakteur vielleicht getan hätte. Oder eben auch nicht. Dennoch wird das Thema zum Politikum, weil die Beiträge nicht nur im Radio ausgestrahlt werden, sondern auch viele Zeitungen die Texte unredigiert abdrucken. Ein Skandal, meint jedenfalls Report Mainz, und widmete dem Thema einen Beitrag. Danach empörte sich der Deutsche Journalistenverband und nannte das Vorgehen der Agentur in einer Stellungnahme „Propaganda in bester Form“. Doch ist das wirklich so?

Nein, ist es nicht! Und was die so genannten Wächter des Staates dort kritisieren, passiert in unseren Medien tagtäglich hunderte, wenn nicht tausende Male. Und wenn man es ganz genau nimmt, ist die Schuldfrage im Fall von der Leyen und ihrer Agentur eigntlich ungeklärt. Denn welcher Verstoß wiegt schwerer: Das geschönte Material der PR-Agentur, oder dessen unkritischer Abdruck? Muss die Öffentlichkeitsarbeit zukünftig auf journalistische Stilmittel verzichten, damit die Texte besser erkennbar sind, oder freut sich der Redakteur vor Ort nicht in der Regel über die gute Vorlage? Ist es nicht seine Aufgabe den Text kritisch zu beleuchten, Superlative zu relativieren und einseitig dargestellte Punkte in den richtigen Zusammenhang zu rücken? Die Antwort auf diese Fragen kann nur „Ja“ im Sinne der Sorgfaltspflicht lauten.

Wer sich die Medienlandschaft einmal genauer ansieht wird schnell feststellen, dass der eingangs geschilderte Fall keine Ausnahme sondern die Regel ist. Von Unternehmen, Agenturen und anderen Medien fertig produzierte Texte finden Redakteure heute in Angeboten wie Presseportal.de, wo man einfach zugreifen und sich bedienen kann. Redigiert wird hier selten, stattdessen mit einem netten Bild aufgehübscht. Was sich in Tabellen oder Bildserien fassen lässt, wandert als leichte Kost auf die Startseiten der großen Internetportale. Hauptsache die Optik stimmt. Und nicht viel anders ist es mit dem Material, das aus den großen Nachrichtenagenturen wie dpa, Reuters oder AFP stammt. Was dort steht, wird vor allem im Online-Bereich auf schnellstem Weg durchgereicht. Fehler inklusive. Eigene Recherchen finden immer seltener statt und wer Zugriff auf die Texte der Agenturen hat weiß, dass auch im Radio nur 1:1 vorgelesen wird, was über den „Ticker“ läuft.

Bevor Vertreter aus der Branche auf anderen Herumhacken, sollten sie erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Sie sollten Druck ausüben gegen die sinkende Zahl von Journalisten, gegen Sparmaßnahmen in den Redaktionen und gegen automatisierte Nachrichtenfeeds. Denn selbst der beste Redakteur streicht die Segel, wenn die Nachrichten unbearbeitet und automatisiert ins Netz gestellt werden. Und das machen nicht nur die Agenturen selbst, sondern immer mehr der so genannten Nachrichten- und „Generel-Interest-Portale“. Und selbst wenn noch „Hand angelegt“ wird, beschränken sich die kreative Eigenleistung und journalistische Grundlagen dabei auf einen hübsch formulierten Einstieg, hinter den dann der fertige Text aus der Agentur geklatscht wird. Sicherlich nicht immer und überall, aber eben immer öfter. Ein Phänomen, das sich ausbreitet und durch den gnadenlosen Wettbewerb im Internet immer mehr verstärkt wird.

Geschwindigkeit hat „Content“ als so genannten „King“ schon lange abgelöst. Eine traurige Entwicklung, die den Redakteur immer mehr zum Techniker verkommen lässt. „Content Manager“ schimpft sich das neuerdings und „Junk-Food-Journalismus“ ist der bessere Begriff. Die Agentur wird zum Gedächtnis und was dort nicht gesendet wird, ist als Aspekt nicht vorhanden, wird der Öffentlichkeit nicht mehr mitgeteilt. Und selbst von Schaffenden in der Medienbranche ist immer öfter das Wort „Gleichschaltung“ zu hören. Keine staatlich verordnete, sondern eine selbst auferlegte. Denn die Berichterstattung wird überschaubar, gleicht sich an und wiederholt sich immer mehr. Und wenn sich doch einmal eine eigene Idee eingeschlichen hat, wird diese von den anderen gnadenlos kopiert. „Umschreiben“ schimpft sich das und nicht selten sind die zitierten Berichte anderer Medien in der Agenturversion kaum zwei Sätze kürzer als das Orginal. Und so könnte ich jetzt sicherlich drei Tage weiter schreiben, aber fürs Erste reicht es.