Videojournalismus

Hallo Blog. Hier habe ich mich länger nicht mehr blicken lassen, allerdings ist diese Seite eigentlich auch mehr das Pflichtprogramm eines interaktiv arbeitenden Menschen, denn ein wirklich ambitioniertes Projekt. Geschrieben wird für meine Gaming-Seite. Das ist jedoch ein anderes Thema und auf dem Programm steht „Videojournalismus“, mit dem ich mich vergangenen Montag befasst habe. Besser gesagt die Referenten auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der der Mediale, der ich beigewohnt habe.

Zur Diskussion geladen waren Markus Hündgen (DerWesten.de), Frank Syré (zoomer.de), Uwe Niemeier (Darmstädter Echo), Julia Schmid (websehen.net) und Klaus Meier (Hochschule Darmstadt). Eine hochkarätige Runde, die über eines der wichtigsten journalistischen Themen überhaupt sprechen sollte. Videojournalismus. Die „Subline“ des Abends: „quick, dirty, unentbehrlich“.  Unentbehrlich? Ist den angehenden Online-Journalisten beim übersetzen per LEO der Strom ausgefallen, oder ist „essential“ in diesem Kontext einfach zu „unsexy“ gewesen. Vielleicht kommt das Sprachgulasch auch einfach vom vielen Twittern, wo die Zuschauer des Live-Streams vehement dazu aufgefordert wurdem dem Benutzer mediale zu „followen“. Aua, aua und nochmal aua. Und ich dachte eigentlich Microsofts „sie haben dieses Update gedownloadet“ wäre sprachlich nicht mehr zu übertreffen. Die angehenden Media System Designer und Online-Journalisten schaffen es.

Mit Twitter beschäftigen wir uns später noch einmal intensiver, denn eigentlich geht es hier ja um Videojournalismus. Und dazu hatten die Experten auf der Bühne einiges zu sagen, wenn auch nicht unbedingt viel Neues. Videos verwenden sie, Videos sind teuer und Videos werden je nach Lage an der Newsfront mal mehr und mal weniger professionell produziert. Im Westen also nichts Neues (wenn man von den Lamas im Sauerland bei DerWesten absieht) , denn dasselbe gilt – wie in meinem letzten Beitrag geschrieben – genauso fürs geschrieben Wort. Keine Zeit, keine Qualität. Punkt. Die 90 Minuten bieten deshalb viel allgemeines Bla Bla, von dem ich die Hälfte schon wieder vergessen habe. Ungeklärt bleibt dabei leider die Frage,  wie „quick“ und wie „dirty“ Videos sein dürfen,  obwohl das Thema Qualität von Herrn Hündgen immer wieder zur Sprache gebracht wird. Erfolglos.

Spannender sind die Randnotizen. Von den twitternden Studenten ernsthaft bezweifelt werden die Ergebnisse der Untersuchung von Julia Schmid, laut denen Surfer im deutschsprachigen Raum eher auf Wackelvideos als auf (halb)professionelle Produktionen klicken. Sie scheint damit jedoch Recht zu haben. Zumindest kommt eine aktuelle Studie von Cisco Systems zum selben Ergebnis.  Die nächste Randnotiz betrifft Geschäfts- und Erlösmodelle und wenn ich den Abend richtig im Kopf habe (bei diesem Punkt nuckelte ich gerade gedankenverloren an meiner Bionade) war das Podium der Meinung, mit Videos lasse sich kein Geld verdienen. Doch ist das wirklich so? Ich glaube nicht. Bei t-online.de haben jedenfalls Werbung vor unseren Videostreams und andere haben das auch 😉

Offenbar hängt’s an der Vermarktung und was der fehlt, sind die richtige Technologie und ordentliche Standards. Dann lässt sich auch Geld verdienen. Nehmen wir als Beispiel einfach mal den Vergleich zu einer handelsüblichen Website. Kein Mensch würde im Jahr 2008 noch ein Projekt aufsetzen, das keinen Platz für Standardbanner, Medium Rectangles, Skyscraper und alle die anderen lustigen Werbemittel bietet, mit denen sich so ein Webauftritt in der Regel refinanziert. Es gibt klare Standards, die sich auf der Spielwiese Video einfach noch nicht durchgesetzt haben. Die einen setzen auf Flash, die anderen auf Windows Media und welche Größe der Film auf der Website hat scheint in vielen Fällen reine Geschmackssache. DAS Videoformat so wie DAS Standardbanner gibt es noch nicht.

Der Formatkrieg ist in vollem Gange, allerdings hat wohl kaum ein Vermarkter gesteigertes Interesse daran dasselbe Werbemittel für 20 Kunden in 70 verschiedenen Formaten zu produzieren. Das kostet Zeit und Zeit ist ja bekanntlich Geld. Dazu ist der große Vorteil der Vermarkter ja eigentlich, dass sie mit ihren Rotationen gleich mehrere Kunden beglücken können. Bei Videos wird das schwierig, wenn jeder macht wie er denkt. Technikern wird es jetzt in den Fingern jucken mir die Möglichkeiten der Skalierung um die Ohren zu klatschen. Ein Video in 16:9 und ein Video in 4:3. Vielleicht noch eins in Cinema Scope. Die Antwort darauf ist kurz und einfach: Traffic und Serverlast. Natürlich bekomme ich ein 800 x 600 Video auch in 400 x 300 Pixeln abgespielt, aber wer will das schon? Doppelte Dateigröße, doppelter Traffic, höhere Serverlast. Wenn ich 400×300 mache, will ich auch eine passende Datei. Spannend ist also die Frage, ob sich auf Druck der Vermarkter am Ende ein Format durchsetzen wird.

Zur Diskussion gestellt hätte ich diesen und andere Gedanken gerne während der Veranstaltung, allerdings war mir das am Ende zu blöd. Schuld daran ist Twitter. Genauer gesagt die Twitter-Leinwand, an die ein großer Teil der im Saal sitzenden Teilnehmer ihre Fragen schickte. Dazu Live-Bilder des Podiums, die angesichts des Live-Streams doch irgendwie sinnlos erschienen. Für alle, die diese(s) sinnlose Zeitverschwendung tolle Tool noch nicht kennen,  hier ein kurzer Abriss: auf insgesamt 140 Zeichen teilen die Teilnehmer des Dienstes anderen mit, was sie gerade tun, nicht tun oder lassen. Wenn Karl aus Colorado also gerade beim Kacken auf dem Klo eingeschlafen ist, holt er beim aufwachen sein Handy aus der Hosentasche und meldet das über „Twitterfon“ seinen „Followern“. Die können solche Sensationen wiederum kommentieren und der Welt damit mitteilen, wie oft sie selbst schon auf der Schüssel eingeschlafen sind.

Das klingt scheiße langweilig? Ist es auch, und wenn diese Sinnlosdialoge nicht mit Tags versehen im Internet archiviert wären, würde sich wahrscheinlich auch kein Mensch darum kümmern. Und selbst wenn Twitter wirklich relevant für SEO ist, bleibt diese Anwendung eine Spielwiese für hypernervöse Online-Junkies, die ohne technisches Gerät in der Hand oder Hosentasche sofort Entzugserscheinungen bekommen. Zwei Tage Selbstversuche bringen mich zu dem Ergebnis, dass selbst Chatcity und das stundenlange idlen im IRC einen höheren Spaßfaktor bringt als das sinnlose veröffentlichen von Gefühlszuständen und Freizeitaktivitäten. Ganz anders sehene das die Anwesenden Nachwuchs-Journalisten, die über Handys und Laptops jede Menge Einwände, Fragen und dumme Kommentare an die Leinwand werfen. Das soll unser Nachwuchs sein? Na dann gute Nacht, Marie!

Und nun genug auf Twitter herumgeprügelt. Wer bis hier hin gelesen hat interessiert sich vielleicht wirklich für die Qualitätsfrage. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass die Diskussionsteilnehmer hier zu keinem echten Ergebnis gekommen sind. Und so geht es mir auch, denn Qualität bleibt immer eine Sache der Abwägung. Wenn ich einen Kinotrailer durch zu hohe Kompression und Skalierung in Pixelgulasch verwandle, bringt das echte Cineasten mit 99,9 prozentiger Wahrscheinlichkeit zur Weißglut. Über das verwackelte Handy-Video vom Hudson River wird sich dagegen wohl kaum jemand beschweren, wenn man den Airbus darauf wirklich aufsetzen sieht. Offen bleibt dabei allerdings, ob man wirklich jeden Scheiß als Video festhalten muss. Doch das ist eine andere Diskussuion. In diesem Sinne: schönen Sonntag!