Zeit für ein Knoppers

Montagabend kurz nach halb zehn. Zeit für ein Knoppers, oder ein Krombacher. So genau weiß ich das noch nicht. Genausowenig bin ich mir über den Tenor des Textes sicher. Wie soll man auch die gesammelten Gedanken zum Internet in einen einzigen Blog-Eintrag zwängen. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, doch zwischen der ganzen Kritik am täglichen Bullshit-Bingo muss ein wenig Zeit zum Spinnen von Gedanken bleiben. Und davon wandern in letzter Zeit viele durch meinen Kopf.

Sonntagmorgen zum Beispiel, als ich Karl aus den Vereinigten Staaten erklärt habe, wie er eine Modifikation für sein Computerspiel installiert. Unter normalen Umständen hätten Karl und ich uns nie kennengelernt und vor gerade einmal zehn Jahren hätte er die Frage nicht mir oder jemand anderem gestellt, der zufällig eine Website über das Spiel betreibt. Er hätte seine Eltern oder Freunde gefragt oder einfach weiter probieren müssen. Und daran wird deutlich, wie grundlegend und allumfassend das Internet diese Gesellschaft verändern wird. Zumindest wenn alle einen Zugang erhalten.

Ich kann plötzlich Nachrichten aus aller Welt lesen, zu denen ich früher bestenfalls über das Angebot im Bücherladen an größeren Bahnhöfen Zugang erhalten hätte. Ich kann jede nur erdenkliche Frage in die Maske einer Suchmaschine eingeben und egal wie bescheuert sie auch sein mag, wurde sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon einmal gestellt. Dieses in hunderttausende Zeilen Spam verpackte Wissen fasziniert mich, hat es mir doch schon so unendlich viele Male bei der Lösung von Problemen geholfen.

Und nicht nur am Rechner macht sich dieses Wissen breit, sondern auch immer mehr abseits der interaktiven Welt. Wer erinnert sich noch an ungelöste Diskussionen über ein Thema oder einen Sachverhalt, bei der mehere Seiten von sich behaupten, im Recht zu sein. Zum Beispiel in der Frage, ob ein Delfin nun ein Wal ist oder nicht. Früher wäre diese Diskussion ohne Ergebnis geblieben. Man hätte sie vergessen, vielleicht den Brockhaus gewälzt und beim nächsten Treffen einen Sieg gefeiert oder die Niederlage weggesteckt. Und heute? Wird das Telefon befragt, das gleichsam als Joker die abgespeckte Version von Wikipedia ausspuckt.

Wahnsinn. Absoluter Wahnsinn, der immer weiter geht. Dich dabei geht auch immer mehr Wissen verloren. Wie etwas geht, nicht geht oder funktioniert, wird heute nicht mehr langsam erlent, sondern bei Bedarf auf YouTube abgerufen. Wie binde ich eine Krawatte, wie spiele ich Gitarre und wie stricke ich die perfekte Masche. Wissen auf Abruf, um den ohnehin schon vollen Speicher nicht noch weiter zu überlasten. Aber um welchen Preis? Manch junger Mensch kann selbst einen Computer zusammenbauen, 3d-Modelle mit Maya erstellen und jedes Web 2.0 bedienen als hätte er selbst entwickelt. Dafür kommt weder aus dem Mund noch aus der Tastatur ein klarer Satz und selbst die Frage nach der Bundeskanzlerin endet mit stottern.

Bei aller Faszination birgt die Technik also eine Gefahr und ein ums andere Mal fühle ich mich an Wall-E und Iva erinnert, die auf einem Raumschiff von der Technik und der Schwerelosigkeit völlig verfette und verblödete Menschen aufrütteln müssen. Und bei allem Hype um Trends und Tools und Technologien  frage ich mich immer was eigentlich passiert, wenn mal der Strom weg ist. So ein Brockhaus hat nämlich einen entscheidenden Vorteil: er funktioniert auch ohne Steckdose. Also öfter mal einen Gang zurükschalten und statt dem hundert und elften Blog ein Buch in die Hand nehmen.

Schönen Abend noch