Wer hat eigentlich Aufzüge erfunden? Jeden Morgen besteige ich die Stahlkabine in der stillen Hoffnung, es möge sich kein weiterer Kollege dazugesellen. Dabei bin ich gar nicht einmal ungesellig, sondern einfach nur durch die hiesige Aufzugkultur abgeschreckt. Es ist hier üblich, sich beim einsteigen einen guten Tag zu wünschen, und genau da liegt das Problem. Denn eigentlich kennt man sich gar nicht und wenn man sich schon einmal guten Tag gesagt hat, müsste man das Gespräch eigentlich fortsetzen. Kann oder will man einfach oft nicht. Weil einem nichts einfällt oder man schlicht und ergreifend keinen Bock hat. Aus der Nummer kommt man aber schlecht raus, weil so ein Aufzug wenig Spielraum lässt um sich in eine Ecke zu verdrücken. Und dann beginnen die üblichen Spielchen. Man tut so, als wäre man irgendwie beschäftigt. Über die Jahre hinweg habe ich einige Typen identifiziert
Der Kramer
Der Kramer lächelt kurz und sucht dann angestrengt in seinen Taschen nach einem nicht näher identifizierten Gegenstand. Das tut er konzentriert und versucht so, jedem weitern Blick und Gespräch auszuweichen. Ein richtig guter Kramer setzt die Suche auch fort, solange er den Aufzug verlässt. Anfänger finden den Gegenstand meist schon während der Fahrt.
Der Sortierer
Der Sortierer kramt auch in seinen Taschen, fördert dabei aber allerhand Krims zutage, der danach wieder einsortiert wird. Ausweise, Kleingeld, Zettel, Kaugummis. Alles muss raus, alles muss wieder rein. Ja länger die Fahrt, desto größer der Showcase.
Die Leseratte
Die Lesratte überlegt sich spontan, dass eine 20-sekündige Fahrt ein genialer Zeitpunkt ist, um den Notizblock aufzuschlagen und sich sinnloses Zeug durchzulesen. Das am besten noch hoch konzentriert und mit voller Hingabe.
Der Lächler
Wer nicht kramt, sortiert oder blättert, versucht sein Glück oft mit sinnlosem Lächeln. Dann wird zurück gelächelt und auf das Zurücklächeln wieder zurück gelächelt. Auf langen Fahrten entwickeln sich so wahre Lächel-Orgien nach denen man aussteigt und sich oft fragt: wer zum Teufel war das?
Der Komiker
Der Komiker lächelt kurz und macht dann einen Spruch. Im besten Fall ist der lustig, in den meisten Fällen möchte man jedoch spontan mit einem lang gezogenen Ahhhhhh ha antworten. Macht man aber nicht, sondern lacht einfach etwas dümmlich und drückt die Taste des nächsten Stockwerks. Bloß raus hier.
Der Langweiler
Die Steigerung des Komikers ist der Langweiler. Der Spruch ist nicht lustig und umfasst Themen wie das Wetter, die Busverbindung oder die Wartezeit vor der Aufzugtür. Schlimmer geht es nicht. Die Gespräche sind so aufgezwungen, dass es fast schon physisch weh tut. Das notgedrungene Lächeln mutiert zur Grimasse und man denkt sich: warum ich?
Deshalb mein guter Tipp für die Fahrt mit dem Aufzug: einfach mal Füße und Klappe still halten. Es geht auch ohne Begrüßung. Dann ist das gegenseitige Anschweigen auch gleich viel ungezwungener.