Wechselnde Realitäten

Deutschland ist schon ein sonderbares Land. Da läuft ein junger Mann durch seine ehemalige Schule und erschießt 16 Menschen, damit danach die ganze Welt ihr Augemerk darauf richtet. Es wird über schärfere Waffengesetze diskutiert und wieder einmal laut nach einem Verbot von Killerspielen geschrien. Das Interesse an Winnenden ist so groß, dass der Doppelmord in Hornsen samt anschließendem Selbstmord nebenbei im Begleitprogramm läuft. Das schreit zum Himmel, denn im Prinzip sind beide Fälle gleich. Es macht keinen Unterschied, wie viele Opfer ein Amoklauf fordert und von einem Amoklauf kann man getrost sprechen, wenn ein Forstwirt mit einer illegal beschafften Waffe seine Frau, das gemeinsame Kind und dann sich selbst erschießt.

Und so stelle ich mir die Frage, wo der „Brennpunkt Hornsen“ bleibt. Ich stelle mir die Frage, warum keine Meute aus Journalisten das Haus belagert und etwas sucht, an dem sie sich aufziehen kann. Ist diese Tragödie vielleicht nicht sexy genug, oder haben die Medien-Macher einfach Angst nichts zu finden? Was wäre, wenn dieses Mal keine Compuerspiele oder Horrorfilme im Spiel waren? Und was ist damit und damit und damit und damit und damit? Interessiert das niemand, weil der Body Count zu niedrig ist? Muss immer erst ein Dutzend Menschen durch die Waffe sterben damit die gesellschaftliche Diskussion mit Nachdruck geführt wird?

Die ganze Debatte wirkt schäbig und oft hat man das Gefühl, dass keiner der Beteiligten wirklich Ahnung hat wovon er spricht. Sind „Killerspiele“ wirklich der Auslöser, oder nur der Katalysator für Menschen, die in einer World of Bullshit leben müssen? Massen-Medien und ihr Geschwafel zu lesen verursacht Brechreitz und Politiker zu hören macht aggressiv, was anscheinend nicht nur mir so geht. Hanno Zulla hat in seinem Blog einen extrem guten  Kommentar geschrieben und richtig klar bringt es Björn Grau bringt es auf den Punkt. Die Welt ist nicht so schön, wie sie Politiker gerne hätten und Graus Beispiele könnte ich um ein weiteres Dutzend erweitern.

Es ist die Gesellschaft, in der etwas schief läuft, und solange das niemand kapiert wird es auch weiterhin Aussetzer geben. Verbietet Killerspiele und der nächste Amokläufer lebt seine Phantasie mit Videos aus. Und wenn die verboten sind, kommen Bücher dran. Oder Spielzeugwaffen. Oder sonst irgendwas. Und zwar auch wenn gekaufte Promi-Blogger das anders sehen. Die ganze Diskussion ist so unsachlich und so unseriös, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und laut schreien möchte.

Die einzigen, die es wirklich geblickt haben, sind die Eltern der Opfer. Zwar fordern sie auch ein Verbot von Killerspielen, aber eben nicht nur das. Sie fordern auch weniger Gewalt im Fersensehen, einen viel schwereren Zugang zu Schusswaffen und eine gesellschaftliche Debatte über die Frage, wie es in unserem Land soweit kommen konnte. Und wenn man angesichts der Bundestagswahl schon in blinden Aktionismus verfallen muss, dann doch bitte auf Grundlage dieses Briefs und nicht auf Empfehlung eines der selbst erklärten Experten. Denn dort geht es um die Gesamtheit und nicht nur um schnelle Opfer, die Wählerstimmen bringen.