Und keiner schreit

Manchmal möchte ich einfach nur laut schreien. Um die Masse zu beruhigen, es sich mit der Waffenlobby aber nicht zu verscherzen, verbieten sie Paintball. Und dass, obwohl mir persönlich kein einziger Fall bekannt ist, bei dem mit dem Markierer mutwillig jemand verletzt oder sogar getötet wurde. Natürlich zielt man mit dem Markierer auf jemand anders und natürlich wirkt das auf viele martialisch, aber gebt einem Kind eine Spielzeugwaffe in die Hand und es wird sie früher oder später auf einen Spielkameraden richten und abdrücken. Und wenn beide gute Laune haben, wird das Gegenüber sich vielleicht sogar an die Brust fassen und theatralisch zu Boden gehen. So ist das eben bei Männerspielen. Nur weil man sie nicht versteht, muss man sie nicht gleich verbieten.

Es sind Schusswaffen, mit denen die Amokläufe durchgeführt wurden, und in den meisten Fällen waren sie nicht ordentlich weggeschlossen. Es sind die Waffenfreaks und Waffensammler, die zuhause massenhaft Schießgerät horten und nicht die Paintballer, die das Problem verursachen.  Paintball wird im Stillen gespielt. Keine Werbung, keine Events, kaum Reportagen. Von „Vorleben“ oder „Trainieren“  kann hier keine Rede sein. Vielmehr stellt sich die Frage, ob jugendliche Amokläufer nicht erst zum Markierer greifen, weil sie sehnsüchtig auf Pappas Knarrensammlung starren, aber nicht selbst Hand anlegen dürfen. Ein Trauerspiel,  dass sie dennoch abgestraft werden, allerdings haben die Paintballer keine Lobby. Noch nicht, denn vielleicht gehen sie ja denselben Weg wie die Gegner der Indizierung und Sperrung von Internetseiten, womit wir beim zweiten Aufreger wären.

In einem beispiellosen Schritt der Zensur möchte der Staat zum Schutz seiner Bürger zukünftig Internetseiten indizieren und sperren. Und zwar ohne dass die Liste der gesperrten Seiten dabei zugänglich wäre. Laut Bundeskabinett sieht die Idee so aus: Das Bundeskriminalamt erfasst Angebote auf einer Sperrliste und stellt diese den Providern zur Verfügung. Diese blockieren den Zugang. Ruft ein Internet-Nutzer solche Angebote auf, wird er mit einem Stopp-Schild über die Sperrung dieser Seite informiert. Zugleich werden die Daten für die Strafverfolgung genutzt. Soweit der Plan, der einige gravierende Lücken hat. Wer sich auch nur ein bisschen mit dem Internet auskennt, weiß wie schnell daraus ein Fallstrick werden kann.

Nehmen wir einfach mal Short-URLs, die zurzeit immer mehr in Mode kommen. Anstelle eines langen Links wird eine verkürzte und kryptische Version generiert, hinter der sich alles Mögliche verstecken kann. Aufgekommen ist die Idee unter anderem durch Diskussionsforen, in denen Mitglieder Links in ihre Signaturen stecken wollten. Um notorischen Spammern vorzubeugen, ist die Zahl der Zeichen oft begrenzt und ein langer Link kann den Platz voll ausfüllen. Short-URLs waren die Lösung. Einen echten Hype erlebten die Dienste allerdings erst durch Twitter, das Nachrichten auf 140 Zeichen begrenzt. Sollte ein Nutzer einer solchen Short-URL folgen und erfasst werden, wird der Rechtsstaat umgedreht: im Zweifel gegen den Angeklagten, obwohl der vielleicht einfach nur mit dem Hinweis auf einen Bildschirmschoner oder ein cooles Musikvideo gelockt wurde, wie es so oft der Fall ist.

Umgesetzt werden soll das alles im Telemediengesetz und wo sonst jeder schreit, aber nichts tut, formiert sich im Internet zum ersten Mal massiver Widerstand. Und zwar Widerstand, der vielleicht etwas bringt. Seit einigen Jahren bietet der Bundestag Bürgern die Möglichkeit, über das Internet Petitionen einzureichen. Wird diese Petition  innerhalb von drei  Wochen ab der Veröffentlichung im Internet von 50.000 oder mehr Personen unterstützt, wird über sie im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten.  Der Petent wird zu dieser Beratung eingeladen und erhält Rederecht. Konkret bedeutet das: wenn genügend Leute mitmachen, wird das Thema zumindest noch einmal besprochen. Und im Falle der Internetzensur dürfte dieses Szenario eintreten.

Innerhalb der besagten drei Wochen haben beinahe 80.000 Bürger die Petition von Franziska Heine gegen das geplante Gesetz gezeichnet, was für das ansonsten so wahl- und politikmüde Volk eine große Leistung ist. Demokratie 2.0 so zu sagen und ein echtes Zeichen, denn anders als bei vielen Internet-Petitionen müssen sich Zeichner nicht nur registrieren und diese Registrierung bestätigen, sondern werden auch mit Namen gelistet. Das alleine hält oft schon viele Menschen von mitmachen ab. 76.616 Zeichner sind deshalb eine Hausnummer, die auch den Massenmedien eine Berichterstattung wert ist. Man kann sich deshakb nur wünschen, dass es innerhalb der nächsten drei Wochen noch mindestens 250.000 werden. Und man kann hoffen. Hoffen, dass Zensur-Ulla den Unmut der Bürger auch zur Kenntnis nimmt.