Handfeste Thesen

Viel ist hier in letzter Zeit nicht geschehen, was wieder einmal auf einen Mangel an Zeit zurückzuführen ist. Und eigentlich hat sich an der Situation nichts verändert, doch die heute veröffentlichten 17 Behauptungen wie Journalismus heute funktioniert kann man einfach nicht unkommentiert stehen lassen. Veröffentlicht wurde das Manifest von Stefan Niggemeier, Sascha Lobo und Co., die in ihrem Beitrag vehement mehr Qualität in der Berichterstattung fordern. Und wie immer, wenn die Alpha-Blogger auf den Putz hauen, wird mit Kritik an den klassischen Medien nicht gespart. Böse Verlagshäuser, die Märkte abschirmen wollen und keine Hyperlinks setzen. Alte Medien-Welt gegen neue Medien-Welt und der Schuldige ist schnell erkannt. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Journalismus im Internet hat kaum noch etwas mit Print zu tun, sondern ist meistens Radio in Textform. In den Radionachrichten werden die Meldungen aus den Agenturen fast eins zu eins abgelesen, im Internet werden sie 1:1 einkopiert. In meinen Gedankengängen zum Qualitätsjournalismus habe ich mir zu dem Thema bereits Gedanken gemacht – und wurde in den Kommentaren anderer Blogger prompt auf meinen Arbeitgeber reduziert. Es sind jedoch nicht nur wir, die Meldungen innerhalb von fünf Minuten ins Netz stellen, sondern angefangen vom Spiegel über den Stern bis runter auf die Ebene von Regionalzeitungen auch alle anderen. Wer etwas anderes behauptet, lügt oder will die Wahrheit nicht sehen. Und solange es nur einer macht, müssen alle anderen nachziehen.

Im Klartext bedeutet das: sehr gerne würde ich mir für bestimmte Themen mehr Zeit nehmen, um das Geschehen einzuordnen, Experten zu befragen oder Geschichten anderweitig auszubauen. Ich kann aber nicht, denn sobald die Meldung bei der Konkurrenz erschienen ist, tickt die Uhr. Denn am besten laufen Geschichten wenn sie besonders zeitnah veröffentlicht werden. Die Regel lautet: Je früher, desto besser. Im Zeitalter der Echtzeitmessung lässt sich das faktisch anhand von Klickzahlen belegen. Und so sind es gerade die großen Online-Medien, die – ob nun mit Hyperlinks in ihren Texten oder ohne – den Niedergang des Qualitätsjournalismus beschleunigen. Denn es zeigt sich noch ein zweiter Trend: Nachrichten von gestern will überhaupt keiner mehr lesen. Wer eine Geschichte „nachdreht“ und erst am Folgetag bringt, arbeitet oft für die Tonne. Ein Kommentar unterhalb eines Artikels blieb mir dabei besonders in Erinnerung: „News von gestern finde ich in der Zeitung“.

Dennoch möchte ich den Text und die darin enthaltenen Behauptungen nicht in Gänze schlechtreden. Wenn es in der 10. These heißt, dass „qualitativ nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus zu unterscheiden ist“, kann ich das nur unterstützen. Aus der eigenen Erfahrung weiß ich: Namen sind Schall und Rauch, was neben dem Internet inzwischen leider auch für das Fernsehen gilt (Panorama lässt grüßen). Und auch den 17. Punkt kann ich nur voll und ganz unterstützen: „Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt“. Und so bin ich gespannt welche Ideen die Verfasser des Manifests haben, um der breiten Masse wieder Lust auf diesen „hinterfragenden Journalismus“ zu machen. Denn wie die aktuelle Berichterstattung zeigt, scheint die große Mehrheit mit der bloßen Veröffentlichung zufrieden zu sein.