Deutschland ist schon ein komisches Land. Richtig bewusst geworden ist mir das zum ersten mal, als ich im Supermarkt vor zwei absolut identischen Eisteepackungen stand, die einen unterschiedlichen Preis hatten. Die eine Sorte ist mit Kohlensäure, die andere ohne. Der ganz normale Wahnsinn in einer Gesellschaft, die sich langsam aber sicher zu Absurdistan entwickelt. Manche Menschen sprechen in diesem Zusammenhang ja auch gerne von einer Bananenrepublik, davon sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt. Und eigentlich geht es hier auch nicht um das Dosenpfand, sondern um die Rente. Ein mindestens genauso heiß diskutiertes Thema, das mich in den letzten Tagen immer wieder begleitet hat.
Auslöser war ein Aufmacher in der BILD vom Dienstag, in dem von einem „Rentenschock“ berichtet wurde. Durch die Finanzkrise und die zu erwartenden Nullrunden könnte der tatsächlich ausbezahlte Rentenbeitrag absinken. Mit der Betonung auf „könnte“. Und weil diese Zeitung nun einmal die Themen vorgibt, haben die Geschichte auch alle anderen gemacht. Der Spiegel, der Focus, der Stern, die Süddeutsche und auch wir. Der altbekannte Gruppenzwang im Online-Geschäft, über den ich mich dieses Mal nicht auslassen möchte. Es geht um das Thema selbst. Denn obwohl an der Berechung der Schockprognose rein formal nichts auszusetzen ist, handelt es sich doch im Grunde genommen um eine reine Luftnummer. Berechnet werden Verluste, die angesichts einer nicht vorhandenen Renditezusage so einfach nicht vorhanden sind.
An einem praktischen Beispiel versuche ich das zu erklären: wer zu seiner Bank geht und von dem Institut einen festen Zinssatz von 3% über eine Laufzeit von 20 Jahren zugesichert bekommt, wird aufgrund von Zins und Zinseszins am Ende sicherlich weniger in der Tasche haben als geplant, wenn die Bank die Zinsen zwischenzeitlich auf Null absenkt. Sicherlich würde in diesem Fall jeder von uns auf seinen Vertrag pochen und in einem Sturm der Entrüstung bei seinem Bankberater vorstellig werden. Das Problem bei der Rente ist nur, dass es eine solche Garantie nicht gibt. Die Prognosen für die Jahre 2010 und 2011 besagten vor dem Eintreten der Finanzkrise zwar einen moderaten Anstieg der Rente, von einem Versprechen kann jedoch keine Rede sein.
ich gehe sogar noch weiter: Einfluss auf Rente wie Zinsen hat auch die Inflation. Moderate Rentenerhöhungen bei niedriger Inflation sind unter Umständen weit weniger dramatisch als der umgekehrte Fall, weil auch die höchste Rentenerhöhung wenig bringt, wenn man sich für das ausgezahlte Geld weniger leisten kann. Ein Problem, das in der Vergangenheit übrigens nicht nur die Rentner betraf, sondern auch den einen oder anderen Arbeitnehmer. Und überhaupt: wer sagt eigentlich, dass es in fünf Jahren nicht einen Boom bei Sauerkraut gibt, der uns ein Wirtschaftswachstum von zehn Prozent und massive Lohn- wie Rentensteigerungen einbringt? Voraussagen kann das heute niemand und sicher ist nur eins: wie hoch die Rente in 15 oder 20 Jahren ausfällt weiß höchsten die Glaskugel.
Und selbst wenn es die vom MEA prognostizierten fünf bis acht Prozent Verlust werden ist das zwar schlimm, aber nicht halb so schlimm wie das, was mich in Zukunft erwartet: gar keine Rente. Finanziert wird das Marode Modell des Generationenvertrags doch schon lange über die Tankstelle. Und weil das alleine anscheinend noch nicht genug ist, kommt oben drauf jetzt auch noch die Rentengarantie. Die besagt, dass bei fallenden Durchschnittslöhnen (angesichts eines prognostizierten Einbruchs der Konjunktur von fünf Prozent durchaus denkbar) die Renten nicht sinken. Doch das müssten sie der Gerechtigkeit halber eigentlich, auch wenn das manchem wehtun würde. Denn irgendwoher muss das Geld in einem Umlageverfahren ja schließlich kommen.
Betrachtet man sich diese Situation also etwas genauer, wird eins sehr schnell klar: irgendwem wird das alles in Zukunft richtig wehtun. Entweder den Rentern, denen man die Bezüge kürzt, oder uns jungen Menschen, denen man die Beiträge bis zur Schmerzgrenze erhöht. Wichtig wäre also eine grundlegende Debatte über die Finanzierung der Rente, bei der die Karten offen auf den Tisch gelegt werden. Doch das ist in diesem Land anscheinend nicht mehr möglich. Stattdessen diskutieren wir lieber über Phantasie-Verluste, Luftbuchungen und Luftnummern. Von den eigentlichen Problemen wird weiter abgelenkt.
Und wenn wir plötzlich gar nicht mehr weiter wissen machen wir eben neue Schulden. Oder wir erheben neue Steuern, denn die sind ja Gottseidank nicht Zweckgebunden. Also vielleicht einfach weiter rauf mit der Ökosteuer oder Mehrwertsteuer und dann rein in die Rentenkasse. Hauptsache nicht über das Thema selbst diskutieren. Und wenn die Diskussion durch reißerische Aufmacher wie den Rentenschock dann auch noch völlig in Richtung Absurdistan geführt werden, sind anscheinend alle glücklich. Die Finanzkrise ist an allem Schuld und nicht etwa das falsch konstruierte System. Na dann gute Nacht Marie! Ich geh mir jetzt erstmal etwas zu trinken besorgen. Ne Dose Eistee wäre nicht schlecht, aber vielleicht nehme ich der Einfachheit halber doch ein Pils. Da ist das Pfand wenigstens klar geregelt.