Falsche Signale

Im Fußball läuft zurzeit einiges schief. Damit meine ich nicht Rattenball Leipzig, Hoppenheim oder Hannover 96, sondern die kleinen Dinge. Veränderungen, die sich langsam und heimlich einschleichen und dabei immer schlimmer werden. Es geht um Wettbewerb und Kampfgeist, um Spannung bis zur letzten Minute oder kurz gesagt um das, was Fußball wirklich ausmacht. Einige Teams lassen all das in letzter Zeit vermissen. Der FC Ingolstadt ist eines davon, was mich maßlos wütend macht.

Um zu verstehen, worum es mir geht, muss man verstehen was ein Angstgegner ist, was diese Tage bedeuten. Tage, in denen Du morgens aufwachst, auf die rausgelegten Sachen schaust und ganz genau weißt, dass es heute eigentlich nichts werden kann. Egal wie es gerade in der Liga läuft, gegen diese Mannschaft gelingt einfach kein Stich. Entweder die anderen sind zu gut, oder Du kannst einfach nicht gewinnen. Anstatt einfach im Bett liegen zu bleiben und das Spiel im Fernsehen zu schauen, schwingst Du Dich dennoch in die Klamotten, legst den Schal um den Hals und ziehst los. Du musst heute einfach noch mehr geben, die Mannschaft noch lauter anfeuern und so ALLES aus den Jungs auf dem Rasen herausholen. Aufgeben zählt nicht, denn vielleicht geschieht ja heute endlich das Wunder…

Totale Kapitulation

Soweit zu meinem Verständnis von Fußball, das für echte Fans genauso gilt wie für jeden verdammten Fußballspieler. Aufgeben kommt nicht in Frage! So kenne ich das, so liebe ich das, so war es immer. Bis zuletzt jedenfalls, denn mein Weltbild ist ins Wanken geraten. Zum ersten Mal im Frühjahr 2014, als Armin Veh beim Spiel der Eintracht gegen die Bayern nicht nur Aigner und Inui auf die Bank setzte, sondern seine Stammkräfte Rode und Zambrano gleich ganz zuhause ließ. Für mich ein unfassbarer Vorgang. Die Chancen der Frankfurter auf einen Sieg waren zwar minimal, aber eine derartige Unterwerfung habe ich noch nie erlebt. Statt Kampfgeist gab es die Kapitulation noch vor dem Anpfiff und nicht wenige sprachen von Wettbewerbsverzerrung.

Folgen hatte die Aktion dennoch nicht. In der Sportpresse wurde zwar viel lamentiert und diskutiert, aber passiert ist am Ende nichts. Und das ist fatal, lautete das Signal aus dem Oberhaus des deutschen Fußballs doch „Aufgeben ist unter gewissen Umständen okay“. Für mich eine Aktion mit Signalwirkung, deren Auswüchse bis heute zu beobachten  sind. Zum Beispiel beim Heimspiel des SV Darmstadt gegen den FC Ingolstadt, als FCI-Torwart Ramazan Özcan in der Nachspielzeit einfach den Spielbetrieb einstellte. Unter den Pfiffen des Darmstädter Publikums stellte er komplette zwei Minuten den Fuß auf den Ball bewegte sich nicht mehr. Natürlich war das alles regelkonform, aber auch so etwas habe ich in den letzten Jahren nicht gesehen. Der FCI hatte die Hosen voll vor uns kapitulierte einfach. Aber das ist ja okay.

Scheiß aufs letzte Spiel!

Der neueste Auswuchs dieser Mentalität ist die Einstellung des Spielbetriebs vor dem Ende der Saison. Bei Duisburg und Bielefeld zum Beispiel, die bereits vor dem letzten Spiel in der 3. Liga zum Feiern nach Malle geflogen sind. Für beide Mannschaften und ihre Gegner geht es am letzten Spieltag im Grunde um nichts mehr, aber auch hier geht es um Botschaft und Signalwirkung. Die beiden Spitzenreiter pfeifen defacto darauf, wer am Ende Meister wird. „Scheiß auf die Schale“, wir steigen doch eh auf. Die Party läuft deshalb bereits los, obwohl es für andere Teams noch um Wohl oder Wehe geht. Für die Spieler aus Rostock zum Beispiel, die sich mental auf einen Fußballkrimi in Dresden vorbereiten müssen, bei dem es um nicht mehr oder weniger als den möglichen Untergang der Kogge geht. In Medien und sozialen Netzwerken machen währenddessen die Feierbilder der Konkurrenz die Runde.

Und es geht noch schlimmer. Beim FC Ingolstadt ist man laut eines Berichts der Augsbuger Allgemeinen ebenfalls bereits Feiermodus. Stimmt der Bericht, wurde das erste Training reichlich verkatert nach drei Tagen Party am gestrigen Donnerstag abgehalten. Dazu macht Trainer Ralph Hasenhüttl die folgende Aussage: „Wir haben die Chance, etwas auszuprobieren und Spieler zu testen, die zuletzt nicht so zum Zug kamen“. Grob übersetzt bedeutet das für mich: „wir sind durch und der letzte Spieltag geht uns am Arsch vorbei“. Und hier platzt mir die Hutschnur. Das, meine werten Damen und Herren aus Ingolstadt, ist nicht nur ein falsches Signal, sondern eine waschechte Wettbewerbsverzerrung! Für Lautern, Karlsruhe und uns geht es nämlich noch um was. Beim FCK mit einer B-Mannschaft aufzulaufen ist peinlich und eines Aufsteigers nicht würdig! Pfui, schämt euch! Aber was soll man von einem Verein, der beim Saisonfinale nicht einmal sein Auswärtskontingent voll ausschöpft, auch anderes erwarten?

Kämpfen und Siegen!

Für uns ändert das alles übrigens nichts. Es war von Anfang an klar, dass wir gegen St. Pauli einen Dreier holen müssen. Auf ein Unentschieden oder einen Patzer der Gegner zu hoffen entspricht nicht unserer Mentalität. Das gilt – wie eingangs erwähnt – für die Fans wie für die Mannschaft. Entweder wir steigen auf, oder wir werden eben vierter. Und ganz egal wie es ausgeht, wird die Mannschaft im Anschluss von uns gefeiert. Die letzten zwei Jahre waren der absolute Wahnsinn und haben in der Stadt etwas bewegt, gegen das selbst der Gewinn der Weltmeisterschaft verblasst. In der Stadt herrscht eine Stimmung, wie ich sie noch nie erlebt habe. Lasst uns das bewahren und weitertragen, solange es nur geht. Also auf geht’s Darmstadt, kämpfen und siegen!

Post Scriptum: Da es hier um falsche Signale geht, möchte ich abschließend noch eine Botschaft an unseren Präsidenten Rüdiger Fritsch adressieren, den ich ansonsten sehr schätze. Im Hessischen Rundfunk werden Sie mit den folgenden Worten zitiert: „Wenn wir die letzten beiden Spiele verlieren, sind wir die größten Deppen der Nation“. Auch das ist ein falsches Signal an die Mannschaft und an uns. Fürth und Pauli spielen nicht in der Kreisliga, sondern  sind – wie Sie ebenfalls erwähnt haben – gestandene Mannschaften, die dummerweise unten mitspielen. Gegen Pauli zu verlieren wäre tragisch und hätte sicherlich eine Schockwirkung, aber die Deppen der Nation sind wir in einem solchen Fall ganz sicher nicht. Darmstadt ist und bleibt im Lilienfieber, egal in welcher Liga!