You’ll never walk alone…

Eigentlich kann ich mich nicht beklagen. Mein Verein, der glorreiche SV Darmstadt 98, spielt nach 21 Jahren wieder in der 2. Bundesliga. Damit nicht genug, stehen wir auf einem direkten Aufstiegsplatz! Unsere Gegner heißen jetzt Braunschweig und Düssseldorf, und nicht mehr Homburg, Kassel oder Worms. Gleich geblieben ist nur der Fußball. Oft genug sehen wir Grottenkicks, bei denen wir aber als Sieger vom Platz gehen. Wir schießen Last-Minute-Tore, anstatt sie wie früher in der dritten Minute der Nachspielzeit noch zu fangen. Läuft bei uns! Doch ich wäre nicht ich selbst, wenn es nicht dennoch etwas zu meckern gäbe. Ich ärgere mich. Über das Rahmenprogramm. Genauer gesagt über die Trikots der Einlaufkinder (nächste Woche mehr dazu) und einen Song. Nicht irgendeinen Song, sondern DEN Song!

Ich bin mir nicht sicher wann es angefangen hat, aber seit einiger Zeit werden die Zuschauer vor Spielbeginn mit You’ll never walk alone beschallt. Immer, bei jedem Heimspiel. Ich weiß nicht wer auf die Idee gekommen ist diesen Titel ins feste Repertoire des Vorprogramm aufzunehmen, doch eins ist gewiss: er hat einen gewaltigen Fehler begangen. Dieser Song, dieses Stück Musik- und Fußballgeschichte, ist fest mit dem FC Liverpool verbunden, und ganz sicher nicht mit den Lilien oder dem FSV Mainz 05. Es fühlt sich falsch an ihn ohne echten Anlass zu spielen. Und vielleicht wird er deshalb auch nicht so inbrünstig gesungen, wie ich das erwarten würde. Es gehen viele Schals nach oben und die meisten singen auch mit, aber von Gänsehaut-Momenten bin ich dabei so weit entfernt, wie der FC St. Pauli von den Aufstiegsplätzen.

Und darum geht es: den richtigen Anlass und die Gänsehaut-Momente! Ein (Pokal-)Spiel gegen eigenen eigentlich „unbezwingbaren“ Gegner, die Partie aus der Rubrik „gut gekämpft und doch verloren“, oder das von allen bereits verloren geglaubte Spiel, das unter frenetischem Jubel noch in letzter Sekunde gedreht wird. Das 3:2 gegen Kassel, das 2:1 gegen Worms, das 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers oder die Relegation in Bielefeld. DAS sind Momente, in denen You’ll never walk alone angestimmt werden kann, nein angestimmt werden MUSS. Das sind die Momente, in denen die Stadionregie von mir aus gerne mit einem Einspieler arbeiten kann. Aber bitte nicht jeden zweiten Sonntag für jeden x-beliebigen Gegner oder Anlass. Lasst das! Bitte! Wir müssen das den Mainzern nicht nachmachen.

PS: Manchmal reicht es übrigens aus, wenn man die Fans einfach machen lässt. So geschehen vor zwei Jahren bei der Partie Braunschweig gegen Stuttgart – Spielstand 0:4. Das war Gänsehaut – und zwar vor dem Fernseher. In diesem Sinne: schönes Wochenende.

https://www.youtube.com/watch?v=4qxcXokzpM4